Hier auf Italienisch.
Giacomo Matteotti wurde von faschistischen Killern am 10. Juni 1924 umgebracht. Sie haben zu fünft vor seinem Haus auf ihn gewartet, alles Schwarzhemden aus Mailand, professionelle Auftragskiller, angeworben aus dem engsten Kreis um Benito Mussolini.
Der ehrenhafte Matteotti, Generalsekretär des Partito Socialista Unitario, der Letzte, der sich im Parlament noch offen auflehnte gegen die faschistische Diktatur, wurde abgefangen im Zentrum Roms, mitten am Tag, im Sonnenlicht. Er wehrte sich bis zuletzt, so wie er sein ganzes Leben lang gekämpft hat. Sie erstachen ihn, dann schändeten sie den Leichnam. Sie falteten ihn zusammen, um ihn in ein Loch zu stecken, das mit einer Feile notdürftig gegraben worden war.
Mussolini wurde umgehend informiert. Über das Vergehen hinaus besaß er die Infamie, der Witwe zu schwören, er habe alles Mögliche getan, um den Ehemann zurückzubringen. Während er das schwor, bewahrte der Führer des Faschismus den blutbefleckten Parlamentsausweis des Opfers in einer Schublade seines Schreibtischs auf.
In diesem unseren falschen Frühling wird jedoch nicht nur des politischen Mords an Matteotti gedacht; es wird auch der faschistischen Massaker der deutschen SS von 1944 gedacht, unter Mittäterschaft der italienischen Faschisten. Fosse Ardeatine, Sant'Anna di Stazzema, Marzabotto: Das sind nur einige der Orte, an denen Mussolinis dämonische Verbündete eiskalt Tausende hilflose italienische Bürger hinmetzelten. Unter ihnen Hunderte Kinder und sogar Kleinkinder. Viele wurden geradezu lebend verbrannt oder enthauptet.
Diese beiden traurigen Jubiläen - Frühling 1924, Frühling 1944 - zeigen, dass der Faschismus während seiner ganzen Geschichte - nicht nur am Ende oder hin und wieder - ein unkündbares Phänomen von systematischer, politischer und mörderischer Gewalt und Terrorismus war. Erkennen die Erben dieser Geschichte das an, wenigstens ein Mal?
Alles sieht leider danach aus, dass dem nicht so ist. Die Postfaschisten, die die Wahlen im Oktober 2022 gewonnen haben, hatten zwei Möglichkeiten: ihrer faschistischen Vergangenheit abzuschwören oder die Geschichte umzuschreiben. Sie haben zweifellos den zweiten Weg gewählt.
Nachdem sie das Thema im Wahlkampf hartnäckig vermieden hatte und sich gezwungen sah, den historischen Jahrestagen entgegenzutreten, hielt die Ministerpräsidentin sich an die ideologische Linie ihrer neofaschistischen Herkunft: Sie distanzierte sich von der nicht zu verteidigenden Brutalität des Regimes (die Verfolgung der Juden), ohne jemals den Faschismus als Ganzes abzulehnen, sie hat die mit den republikanischen Faschisten begangenen Massaker auf einzelne Nazis heruntergebrochen und zuletzt die fundamentale Rolle der Resistenza in der Wiedergeburt Italiens geleugnet (bis zu dem Punkt, den Ausdruck "Antifaschismus" aus Anlass des 25. April 2023 nicht in den Mund zu nehmen).
Während ich zu euch spreche, steht der Jahrestag der Befreiung vom Nazi-Faschismus an. Das Wort, das sich die Ministerpräsidentin weigerte auszusprechen, pocht immer noch auf den Lippen aller aufrichtiger Demokraten, seien es die von links, von der Mitte oder von rechts. Bis dieses Wort - Antifaschismus - nicht von denen ausgesprochen wird, die uns regieren, wird das Gespenst des Faschismus die italienische Demokratie weiterhin heimsuchen.